Ice, Ice, Baby!

Eis 2.0

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es endlich wieder Sommer wird – und man vor den Eisdielen Schlange steht.

Seine Zuhörer feixten, als Theo Schöller 1935 in einem Berliner Varieté zum ersten Mal ein Eis am Stiel probiert hatte und daraufhin
vollmundig verkündete: „Ich möchte mal Eis fabrikmäßig in großen
Mengen herstellen und in allen Geschmacksrichtungen in eigenen
Lkw-Kolonnen in ganz Deutschland vertreiben.“ Das Grinsen mussten sie sich aber schon bald verkneifen, als der Sohn eines Nürnberger Büromöbel-Fabrikanten nur wenig später gemeinsam mit seinem Bruder Karl Steckerles-Eis produzierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Kühlschränke für jedermann erschwinglich wurden und sich der Absatz von Eiskrem versiebenfachte, avancierte Schöller gar zur zweitgrößten deutschen Firma, die Speiseeis herstellte.

Einer Reifenpanne ist die Erfindung von Softeis zu verdanken. Als
Tom Carvel 1934 mit seinem Eiswagen liegengeblieben war, verkaufte er kurzerhand seine schmelzende Ladung an Passanten. Das etwas weniger gefrorene Eis kam aber so gut an, dass er sein Eis fortan etwas schmelzen ließ und als Softeis verkaufte.
Mehr oder minder zufällig ist auch das Spaghetti-Eis entstanden.
Als der Mannheimer Dario Fontanella 1969 in Cortina D’Ampezzo
im Ski-Urlaub war, bestellte er eines Abends in einer Pasticceria ein
Dessert namens Mont Blanc, Kastanienpüree, das sich zu einem kleinen Gipfel aus Zuckerglasur auftürmte. Nachdem er von der Wirtin erfuhr, dass sie dafür das Püree durch eine Kartoffelpresse gedrückt hatte, hantierte er daheim in der Eisdiele seines Vaters Mario mit einer Spätzlepresse; Pistazien, Zitronen und Erdbeeren sorgten dafür, dass sein Eis an die italienische Flagge erinnerte. Bei seinem Vater stieß Dario Fontanellas Erfindung zunächst aber auf wenig Gegenliebe: „Ich habe noch nie bunte Spaghetti gegessen.“ Fontanella beherzigte seinen Rat, lieber Vanilleeis zu verwenden, „damit es wie echte Pasta aussieht“, übergoss es mit Erdbeeren statt mit einer Tomatensauce und streute geraspelte Schokolade darüber statt Parmesan. Und fertig war das Spaghetti-Eis.

Die Eisliebe ist aber keine Erfindung der Dreißiger Jahre, schon
im alten China wurden Milch und Reis mit gefrorenem Wasser vermischt. Die Perser stellten einst Eis aus Nudeln und Rosenwasser
her und würzten es mit Safran. Und im antiken Griechenland wurde
Schnee mit Honig und Früchten verfeinert, und Hippokrates schwor
auf Wassereis, weil das die Lebenssäfte stärke und Schmerzen lindere.
Allein die Eiswaffel ist das Werk eines gebürtigen Italieners. Nachdem Italo Marchioni 1895 in die Vereinigten Staaten ausgewandert war, hatte er zunächst auf der New Yorker Wall Street von einem Handkarren aus Zitroneneis in Whiskeygläsern verkauft. Sein Geschäft boomte, sodass schon bald 50 Karren sein Eis anboten. Das Reinigen der Gläser, die zudem oft zu Bruch gingen, nahm jedoch außerordentlich viel Zeit in Anspruch, sodass Marchioni in seiner Garage einen Backautomaten für Eiswaffeln entwickelte.
Zum Massenprodukt war Eis erst ein paar Jahre zuvor geworden
– nachdem Carl von Linde 1876 eine Kältemaschine entwickelt hatte,
die mit Ammoniak arbeitete: den Kühlschrank. Nicht umsonst wurde
von Linde deshalb auch „der Eiskönig“ genannt.

Nachdem die amerikanische Eiskrem-Kette Ben & Jerry bereits ihr
Kirscheis (Cherry Garcia) nach Jerry Garcia von Grateful Dead benannt hatte, widmete sie 1997 der Rockband Phish die Eissorte Phish Food, ein mit Nugat, Karamell und Marshmallows gefülltes Schokoladeneis.   

Weil die Qualität von Erdbeeren im Nordosten von Japan seit der
Tsunamikatastrophe 2011 schwer schwankte, beauftragte das Biotherapy Development Research Center einen Patissier damit, ein neues Konfekt auf der Basis eines in Erdbeeren enthaltenen Polyphenols zu entwickeln. Als der Patissier klagte, dass Milchprodukte fest würden, sobald er ihnen Polyphenol hinzugäbe, horchte der Pharmazie-Professor Tomihisa Ota auf – und entwickelte ein Wassereis in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Formen, das selbst dann nicht schmilzt, wenn man es unter einen Fön hält. Gesund soll das Eis 2.0 außerdem sein: das Polyphenol wirkt entzündungshemmend und bewahrt angeblich auch vor Krebs.

Auszüge aus „Gastromania“ von Hollow Skai (217 Seiten, Euro 9,99), erhältlich in allen Online-Buchshops und Buchhandlungen oder bei www.bod.de

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